Peer Steinbrück: „Ganz klar: Wir wollen am Ende wieder vorne sein“

Vorwärts: Herr Ministerpräsident, mit welcher Zielsetzung gehen Sie in die heiße Wahlkampfphase?

Peer Steinbrück: Ganz klar: Wir wollen am Ende wieder vorn sein. Momentane Stimmungen sind noch keine Stimmen, der Ausgang der Wahl entscheidet sich in den letzten 14 Tagen, denn rund ein Viertel aller Wahlberechtigten entscheidet sich erst dann, ob und wen sie wählen. Deshalb gilt: Der Wahlkampf endet am 22. Mai um 18 Uhr, bis dahin müssen wir um jede Stimme kämpfen.

Vorwärts: Bei manchen Bürgerinnen und Bürgern scheint der Eindruck zu bestehen, es mache keinen großen Unterschied, wenn die CDU einmal wieder in NRW an die Regierung komme…

Peer Steinbrück: Da soll sich niemand täuschen: Unter einer CDU-Regierung würde sich unser Land verändern. Die Achsen des Sozialsystems würden nachhaltig verschoben, Rechte der Arbeitnehmer geschwächt, gesellschaftliche Gräben würden vertieft.

Vorwärts: Wo konkret sehen Sie diese Gefahr?

Peer Steinbrück: Stichwort Studium: Die CDU ist für Studiengebühren. Studieren wird dann wieder eine Frage des Geldbeutels der Eltern – dabei brauchen wir mehr Akademiker, nicht weniger, wenn wir die Anforderungen der Zukunft bewältigen wollen. Stichwort Arbeitnehmerrechte: Die CDU will den Kündigungsschutz lockern, die Mitbestimmung aufweichen und in die Tarifautonomie eingreifen mit ihrer Forderung nach betrieblichen Bündnissen für Arbeit. Faktisch haben wir in Notfällen betriebliche Bündnisse für Arbeit, um konkrete Probleme zu lösen. Was gerade erst bei Opel oder vorher bei Karstadt gelungen ist, beweist doch, dass bestehende Regelungen flexibel genug sind. Stichwort Energiepolitik: Die CDU will die Steinkohlesubventionen halbieren und riskiert damit Massenarbeitslosigkeit, denn dann werden betriebsbedingte Kündigungen unvermeidbar. Abgesehen davon, dass eine ganze Wertschöpfungskette von der Bergbautechnik bis zum Kraftwerksbau gefährdet wird. Parallel dazu soll
aber wieder mehr Atomstrom produziert werden – das ist alles abenteuerlich.

Vorwärts: Umgekehrt malt die CDU ein Schreckensbild mit Kampfbegriffen wie der "Einheitsschule"…

Peer Steinbrück: Das ist erbärmlich. Mir würde im Traum nicht einfallen, unsere Gymnasien und Realschulen über die Köpfe der Betroffenen und Beteiligten hinweg abzuschaffen. Die CDU versucht hier mit billiger Polemik zu verbergen, dass sie keine Konzepte für eine moderne Bildungspolitik hat. Ich plädiere dafür, dass wir ohne ideologische Scheuklappen darüber reden, wie wir die besten Konsequenzen für unsere Kinder aus den PISA-Ergebnissen ziehen können. Wir haben in den vergangenen zweieinhalb Jahren viele wichtige Veränderungen auf den Weg gebracht, um die Qualität des Unterrichts zu verbessern und die Ergebnisse zu steigern. Ich nenne die offene Ganztagsgrundschule, die Einstellung zusätzlicher Lehrer, die Erhöhung der Stundenzahl oder auch Lernstandserhebungen. Wir sollten uns gemeinsam Gedanken machen, was wir weiter verbessern können, statt hier mit dem Holzhammer zu agieren.

Vorwärts: Also mangelt es nicht an inhaltlichen Themen. Warum suchen Sie zusätzlich die personelle Konfrontation mit dem CDU-Spitzenkandidaten?

Peer Steinbrück: Das Wahlprogramm ist das eine, die Frage, wer Kapitän an Deck sein soll, ist aber für die Menschen auch wichtig. Sie möchten wissen, ob der Regierungschef für das steht, was er sagt, oder ob er erst den Finger in den Wind hält, um dann seine Meinung zu sagen. Ich suche diesen direkten Vergleich und ich tue das selbstbewusst,
aber nicht überheblich.

Vorwärts: Und wie sieht es mit den Mitstreitern von Herrn Rüttgers aus?

Peer Steinbrück: Bisher hat die CDU kein Schattenkabinett, sie hat nur Schatten. Mir scheint, man drängt sich nicht gerade danach, an der Seite von Herrn Rüttgers in die Wahl zu gehen. Auch für viele in der CDU hat der ehemalige Zukunftsminister von Kanzler Kohl seine Zukunft eigentlich schon hinter sich…

Vorwärts: Herr Ministerpräsident, bis zum 22. Mai stehen Ihnen anstrengende Wochen bevor. Wie schaffen Sie es, sich da noch gelegentlich zu entspannen?

Peer Steinbrück: Ich kann phantastisch abschalten, wenn ich mich am Wochenende für eine Weile an meinen Schachcomputer setze und einige Partien spiele. Außerdem bin ich eine echte Leseratte. Besonders bei Polit-Thrillern kann ich
mich entspannen. Leider fehlt mir die Zeit, öfter Tennis zu spielen.