Minister Jochen Dieckmann: „Nur gemeinsam mit der EU gelingt die Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs.“ – Finanzminister zu zweitägigen Gesprächen in Brüssel

Finanzminister Jochen Dieckmann befindet sich vom 15. bis 16. März mit Fachleuten aus seinem Ministerium zu politischen Gesprächen in Brüssel. Thema des politischen Besuchs sind die finanzpolitischen Interessen von NRW in Europa.

Dieckmanns besonderes Interesse gilt dabei neben der Situation der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute auch der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs.

Durch Umsatzsteuerbetrug entgehen dem deutschen Fiskus jährlich bis zu 20 Mrd. Euro, die den Landeshaushalten schmerzlich fehlen. Die Betrugsbekämpfung hat daher für Finanzminister Jochen Dieckmann höchste Priorität. Vor diesem Hintergrund sind in NRW die Sonderprüfdienste für Umsatzsteuer, die bei den Unternehmen ausschließlich umsatzsteuerliche Sachverhalte nachprüfen, erheblich aufgestockt worden. Darüber hinaus ist in NRW die Steuerfahndung verstärkt in die Betrugsbekämpfung eingebunden. Mit beachtlichem Erfolg, da Karussellgeschäfte im dreistelligen Millionenbereich aufgedeckt wurden. Das Problem ist aber ein anderes. Jochen Dieckmann: „Die Aufklärung bringt das Geld nicht wieder zurück. Denn Umsatzsteuerbetrüger verschieben das vom Fiskus zu Unrecht ausgezahlte Geld auf Konten, die dem Zugriff der Fahnder entzogen sind.“ So heben die Fahnder zwar Betrüger aus, der Fiskus geht dabei aber regelmäßig leer aus.

Dieckmann: „In meinen Augen ist das einzig Erfolg versprechende Mittel, den Sumpf aus zu trocknen, d. h. die Gesetzgebung so zu ändern, dass ein Betrug nicht mehr möglich ist.“

Dafür muss man zunächst verstehen, wie die Betrüger zu Werke gehen. International organisierte Täterbanden erschwindeln sich seit Einführung des EU-Binnenmarktes und dem damit verbundenen Wegfall der Einfuhrumsatzsteuer systematisch Millionenbeträge an Umsatzsteuer.

A verkauft Computerteile an B. Das ist umsatzsteuerfrei, da innergemeinschaftliche Lieferung.
B verkauft an C.
B stellt C eine Rechnung mit Umsatzsteuer aus.
C reicht die Rechnung beim Finanzamt ein und bekommt die Umsatzsteuer zurückerstattet.
C verkauft wieder an A (umsatzsteuerfrei, wie 1.)
B müsste jetzt die Umsatzsteuer (die er C in Rechnung gestellt hat) ans Finanzamt abführen, macht es aber nicht („missing trader“)
Das Karussell hat die erste Runde gedreht und beginnt von vorne.
Die Notwendigkeit für einen Systemwechsel bei der Umsatzsteuer haben die deutschen Finanzminister von Bund und Ländern erkannt. Bislang wird mehrheitlich das sog. Reverse-Charge-Modell befürwortet. Es beinhaltet – verkürzt gesagt – in der Unternehmerkette eine generelle Verlagerung der Umsatzsteuerschuld vom leistenden Unternehmer auf den Leistungsempfänger, so dass Steuerschuld und Vorsteuerabzug in einer Person zusammenfallen.

Es wäre danach künftig ausgeschlossen, dass eine in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abgeführt, gleichwohl aber der Vorsteuerabzug in Anspruch genommen wird. Betrug zu Lasten des Fiskus wäre insoweit also nicht mehr möglich.

Im Rahmen eines Planspieles sollen Risiken und Nebenwirkungen abgeklopft werden. Das wird derzeit vorbereitet. Rechtlich ist eine andere Hürde zu überwinden: Das EG-Recht in Form der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie müsste geändert werden, wenn man in Deutschland das Reverse-Charge-Modell einführen wollte. Finanzminister Dieckmann ist optimistisch: „Das deutsche Umsatzsteuerproblem ist auf EU-Ebene bekannt. Niemand, auch nicht hier in Brüssel, hat ein Interesse daran, dass Deutschland jährliche Umsatzsteuerausfälle bis zu 20 Mrd. Euro zu verkraften hat.“

Bis die erhoffte Systemänderung im Umsatzsteuergesetz kommt, bleibt man in Deutschland nicht untätig. Der Gesetzgeber hat das geltende Recht bereits verbessert, z. B. durch die Umkehr der Steuerschuldnerschaft in Teilbereichen (§ 13 b UStG), Vorsteuererstattungen gegen Sicherheitsleistungen (§ 18 f UStG), sowie die Umsatzsteuer-Nachschau (§ 27 b UStG). Daneben greifen auch zahlreiche verwaltungsorganisatorische Maßnahmen bei der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges, z. B. zentrale Datenbanken und Koordinierungsstellen. Aber bei allen Bemühungen ist sich Finanzminister Jochen Dieckmann sicher, dass nur eine Systemänderung des Umsatzsteuergesetzes wirkliche Abhilfe bringen wird. Dieckmann: „ Eine wirksame Betrugsbekämpfung kann nur gemeinsam mit der EU gelingen!“