Das Steuer-Konzept von Merz: Kindergeld wird abgeschafft, Gewerbesteuer ohne Zukunft, Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgehöhlt

1. Alle Steuerkonzepte werden unglaubhaft, wenn man nicht jetzt das vom Bundestag bereits beschlossene Vorziehen der Steuerreformstufe 2005 auf 2004 im Bundesrat unterstützt und damit das tut, was konjunkturell notwendig ist. Zusätzliche Steuerentlastungen von rund 23 Mrd. € sind ein wesentlicher Beitrag zur Flankierung des sich abzeichnenden wirtschaftlichen Aufschwungs.

2. Die Elemente des Tarifs 2005 sind ein Grundfreibetrag von 7.664 €/15.328 €, ein Eingangssteuersatz von 15 % und ein Spitzensteuersatz von 42 %. Sie rahmen einen linear-progressiven Tarif ein, der wesentlich für ein an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgerichtetes gerechtes Steuersystem ist. Hinzu kommen als Bestandteile einer familienfreundlichen Steuerpolitik ein Kindergeld je Kind und Jahr von 1.848 € bzw. Steuerfreibeträge in einer Gesamthöhe von 5.808 €. Das Finanzamt berechnet von Amts wegen, was für die Familie günstiger ist.

Nach dem Tarif 2005, der mit Zustimmung der unionsgeführten Bundesländer auf 2004 vorgezogen werden kann, wird eine Familie mit zwei Kindern im Ergebnis erst dann Steuern zahlen müssen, wenn sie ein höheres Bruttoeinkommen als 37.650 € hat. Denn die bei diesem Einkommen rechnerisch entstehende Steuerbelastung von 3.696 € wird durch das gezahlte Kindergeld voll ausgeglichen. Im Tarif von Merz muss diese Familie, die kein Kindergeld mehr erhält, bereits 50 € an Steuern zahlen.

Auch mit Ideologie und Propaganda lässt sich daher die Abschaffung des Kindergelds und ihre Ersetzung durch hohe Kindergrundfreibeträge und damit eine andere, unsozialere Familienpolitik nicht begründen. Steuerliche Freibeträge nutzen wegen ihrer Wirkung nur Steuerpflichtigen mit höheren Einkommen. Aus diesem Grunde ist das von der Koalition gegen den Widerstand der Union beschlossene Steuersystem 2000, das weiterhin Kindergeld und eine Verzahnung mit Kinderfreibeträgen vorsieht, viel familienfreundlicher.

3. Das Merz-Steuerkonzept übernimmt Vorschläge, die von der Koalition bereits im Bundestag beschlossen, aber im Bundesrat von der Unionsmehrheit abgelehnt worden sind, Vorschläge, die sich noch im Gesetzgebungsverfahren befinden oder aufgrund klarer Ankündigungen künftig Gesetzesvorlagen werden sollen.

Das betrifft die generelle Steuerpflicht privater Veräußerungsgewinne, den Abbau von Steuervergünstigungen, die Einschränkung der Verlustverrechnung bei Unternehmen (Steuervergünstigungsabbaugesetz), die verfahrensrechtliche Vereinfachung der Steuererklärung (Steueränderungsgesetz 2003), die Neuregelung der steuerlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünften (Referentenentwurf eines Alterseinkünftegesetz) sowie eine umfassende und einheitliche Besteuerung von Kapitaleinkünften (BMF-Ankündigung und SPD-Leitantrag).

4. Das Merz-Steuerkonzept ist verteilungspolitisch ungerecht. Hinter der Vokabel Steuervereinfachung verbirgt sich ein Steuerrecht, bei dem soziale Ausgewogenheit kein Wert mehr ist. Merz redet von Steuervereinfachung, zielt in Wirklichkeit aber auf eine ungerechte Umverteilung der Steuerlast von oben nach unten ab. Ein Spitzensteuersatz von 36 % bereits ab einem Einkommen von 40.000 € behandelt den Facharbeiter wie den Einkommensmillionär. Die Senkung des Spitzensteuersatzes ist kein Erfordernis einer Steuervereinfachung. Das Konzept gaukelt Steuervereinfachung und Steuerentlastung für alle nur vor. Begünstigt werden allerdings nur Steuerpflichtige mit überdurchschnittlichen Einkommen.

5. Das Merz-Steuerkonzept ist für Bund, Länder und Gemeinden unfinanzierbar. Die massive Senkung des Spitzensteuersatzes und des Tarifs führt zu Steuermindereinnahmen von 45 Mrd. € im Vergleich zum Tarif 2005. Ob die Gegenfinanzierung tatsächlich – wie Merz behauptet – 35-40 Mrd. € bringt, muss noch berechnet werden. Hinzu kommen die ungedeckten Löcher, die das von der Parteivorsitzenden befürwortete Modell von Kopfpauschalen reißt, die die Herzog-Kommission vorschlägt.

6. Das Merz-Steuerkonzept ist wegen der geplanten Abschaffung der Gewerbesteuer ein Anschlag auf die Finanzierungsfähigkeit und finanzielle Unabhängigkeit der Kommunen. Zudem wird die notwendige finanzielle Kompensation der Städte und Gemeinden im Ergebnis zu einer höheren Steuerbelastung der Einkommensteuerzahler führen, als Merz es mit seinem Stufentarif vorgibt. Vergleichsrechnungen müssen diesen Aspekt immer im Auge behalten.

7. Das Merz-Steuerkonzept ist nicht wegen seines Stufentarifs nicht einfacher als das heutige Steuerrecht. Im Zeitalter des Computers bedarf es heute nur noch eines Mausklicks, um die Steuerbelastung auszurechnen, wenn die Bemessungsgrundlage ermittelt ist (vgl. Plädoyer des bayerischen Finanzministers Faltlhauser vom 10.09.2001 im Handelsblatt zur Vorschlag von Uldall: Weg mit dem Stufen-Gag).